Der ABV Stresstest
Die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) hat jüngst einen Stresstest entwickelt, der es ermöglicht, eine einheitliche Risikomessung eines Anlagevermögens durchzuführen. Hier stellen wir die Berechnungsweise sowie dessen Vor- und Nachteile kurz vor.
Aufgrund der derzeitigen Niedrigzinsphase sind auch kleinere Versorgungseinrichtungen gezwungen, höhere Risiken einzugehen. Finanzanlagen werden komplexer und die Risiken steigen. Die ABV hat auf diese Realitäten reagiert und einen einheitlichen Stresstest entwickelt. Dieser stellt das Bewusstsein für Risiken in den Vordergrund und versucht, ohne komplexe Statistik, einen Überblick über das Gesamtrisiko des Portfolios zu schaffen.
Aufbau des Tests
Der ABV Stresstest soll das gesamte Vermögen der Versorgungseinrichtungen abbilden und mittels unterschiedlicher Stressszenarien prüfen, wie das Vermögen in volatilen Drawdownphasen reagie-ren würde. Als Berechnungsgrundlage dient hierbei eine simplifizierte Abbildung des Vermögens, um eine unkomplizierte und leicht verständliche Anwendbarkeit des Stresstests zu ermöglichen.
Unterteilt wird der Test in folgende zwei Bereiche:
- Versicherungsmathematische Berechnungen und bilanzielle Auswertungen
- Stressszenarien der Märkte
Alle Assets werden in unterschiedliche Kategorien eingeteilt und mittels vier Stressszenarien fiktiven Drawdowns ausgesetzt. Die vier Stressszenarien sehen wie folgt aus:
Indexabhängige, dynamische Stresswerte passen sich von -10% bei einem EuroStoxx Stand unter 1.825 Punkten, bis -45% bei einem Indexstand über 5.335 Punkten an. Bei einem aktuellen Wert von 3.485 liegt das Stresslevel bei mittleren -27%. Rentenbestände werden in unterschiedliche Bonitäten eingeteilt (AAA-BBB, BB-B, CCC-D, NR) und je nach Bonitätsrisiko zusätzlich gestresst. Fremdwährungen werden assetklassenübergreifend mit -10% belastet.
Um Risiken nicht zu unterschätzen und somit die Auswertung möglichst konservativ zu halten, wird die Einteilung der Anlagen in die Assetklassen nach dem Vorsichtsprinzip vorgenommen. Ist nicht eindeutig, welcher Klasse ein Asset zugeordnet werden soll, wird dieses im Zweifel immer der risikoreicheren Assetklasse zugerechnet.
Für das Testergebnis werden die aus den einzelnen Stressszenarien resultierenden Drawdowns von den vorhandenen Reserven – plus die versicherungsmathematischen Erträge – abgezogen. Ist das Resultat in allen vier Szenarien positiv – sind die Reserven also ausreichend – wird der Test als bestanden angesehen. Sollte in einem der vier Fälle ein negatives Resultat vorhanden sein, sollte eine Umstrukturierung des Vermögens erfolgen oder zusätzliche Reserven aufgebaut werden.
Lob und Kritik
Wir unterstützen die Wichtigkeit einer Risikomessung und glauben, dass hier vor allem für kleine Versorgungseinrichtungen ein klarer Mehrwert besteht. Risiken müssen ausgewiesen und bewusst gesteuert werden. Je nach Reportingstandard kann der Berechnungsumfang für kleinere Versorgungseinrichtungen recht hoch sein. Wir halten den Umfang und die Nachvollziehbarkeit für vertretbar und unterstützen die Vereinheitlichung eines Risikomaßes.
Bei größeren Versorgungseinrichtungen mit gut diversifizierten Portfolios und komplexeren Strukturen wie Private Equity, Infrastruktur, Private Debt oder Landwirtschaftsinvestitionen bietet der Stresstest kaum einen Mehrwert. So werden Risiken hier i.d.R. professioneller und dezidierter bewertet und sowohl Korrelations-, als auch Volatilitätsschätzungen mit einbezogen. Statistische Risikomaße wie der (Conditional) Value at Risk oder Lower Partial Moments sind hier sicherlich die angemessenere Methode, Risiken zu messen. Da der Aufwand eines zusätzlichen Stresstestes in diesem Fall verhältnismäßig groß, der Nutzen jedoch recht gering ist, finden wir die Haltung des ABVs vorbildhaft, den Test nicht verpflichtend einzuführen, sondern nur für Versorgungseinrichtungen, die kein sinnvolles Risikomaß implementiert haben.
Niels Raabe | A.L.M. Berlin asset consult GmbH | www.berlin-asset-consult.de
Hinweis:
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